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07.10.25

10 Fragen an Johann Haider

Was er denkt, über 30 Jahre Whisky aus Österreich

Als Johann Haider vor drei Jahrzehnten begann, im kleinen Ort Roggenreith im Waldviertel Whisky zu brennen, hielten ihn viele für verrückt. Heute gilt er als Visionär – als Gründer der ersten Whiskydestillerie Österreichs und Wegbereiter für eine ganze Bewegung. Wir haben ihm 10 Fragen gestellt über die Anfänge, die Herausforderungen und die großen Momente seiner Reise. 

Ein Rückblick auf 30 Jahre Mut, Leidenschaft und österreichische Whiskykultur.

Was hat Sie vor 30 Jahren motiviert, ein so riskantes Projekt zu starten?

Wenn ich ehrlich bin: Es war kein lang gehegter Traum oder eine besondere Leidenschaft für Whisky, die mich angetrieben hat. Es war vielmehr ein Sprung ins kalte Wasser – aus der Not heraus. 
Die Familie brauchte eine neue Perspektive, wirtschaftlich stand einiges auf dem Spiel. Ich habe einfach versucht, weiterzudenken als bis zur nächsten Ernte – über den Tellerrand hinaus. 

Whisky in Österreich zu brennen? Damals war das für viele völlig undenkbar. Aber ich habe mir gesagt: Warum eigentlich nicht? Wir hatten das Getreide, das Wasser, die Leidenschaft zum Arbeiten – und ich hatte den Mut, etwas völlig Neues zu wagen. Vielleicht war es auch ein bisschen Verrücktheit – aber ohne die hätten wir heute keine 30 Jahre österreichische Whiskykultur zu feiern. Ich wollte nicht nur etwas produzieren – ich wollte Geschichte schreiben. Ich habe fest daran geglaubt, dass unser Boden, unser Wasser und unser Getreide das Potenzial für großartigen Whisky haben. Das war mein Antrieb.

Mehr erfahren über die Vision

Gab es damals Vorbilder oder Inspirationen im Ausland?

Natürlich habe ich mir angeschaut, wie es die Schotten oder Iren machen – einfach, um zu verstehen, wie man grundsätzlich Whisky herstellt. Aber echte Vorbilder im klassischen Sinn hatte ich keine. Mir war von Anfang an klar: Wenn wir das hier machen, dann nicht als Kopie. Ich wollte keinen schottischen oder amerikanischen Whisky nachbauen – ich wollte einen eigenständigen, echten österreichischen Whisky entwickeln. Die Idee war, etwas zu schaffen, das unsere Handschrift trägt – geprägt vom Waldviertel, vom heimischen Getreide, vom Wasser unserer Region und von unserer Art zu denken und zu arbeiten. Das war vielleicht ein unkonventioneller Zugang, aber genau das hat uns ausgemacht. Wir waren nicht inspiriert, wir waren überzeugt.

Wie haben die Leute reagiert, als Sie vor 30 Jahren sagten: „Ich mache Whisky im Waldviertel“?

Ehrlich gesagt: Viele haben geschmunzelt. Manche haben mich belächelt, andere haben mich für verrückt erklärt. ‚Whisky? Im Waldviertel? Wer soll denn das trinken?‘ – das habe ich oft gehört. Es war einfach völlig außerhalb des Vorstellbaren. Whisky kam damals aus Schottland, Irland oder Amerika – aber sicher nicht aus Österreich. Aber genau das hat mich motiviert. Ich wollte zeigen, dass wir das hier auch können – auf unsere Art, mit unserer Handschrift. Ich habe mich nie von der Skepsis beirren lassen. Im Gegenteil: Sie war vielleicht sogar ein zusätzlicher Antrieb, um zu beweisen, dass es funktioniert. Und heute – 30 Jahre später – sieht man, dass es richtig war, an diese Idee zu glauben.

Warum haben Sie sich für Roggen als Grundlage entschieden?

Roggen hat im Waldviertel seit Jahrhunderten eine tiefe landwirtschaftliche Verwurzelung – er gedeiht in unserem rauen Klima besonders gut und gehört hier einfach zur Kulturlandschaft. Für mich war deshalb klar: Wenn ich einen österreichischen Whisky mache, dann soll er auch den Charakter unserer Region widerspiegeln. Roggen ist zwar anspruchsvoll in der Verarbeitung – zäh, klebrig, und in der Destillation eine echte Herausforderung – aber genau das hat mich gereizt. Denn was man dafür bekommt, ist ein unglaublich würziger, kräftiger Whisky.

Wie lange hat es gedauert, bis der erste Whisky so war, wie sie ihn haben wollten?

Mindestens drei Jahre und einen Tag mussten wir warten – so verlangt es das Gesetz, damit sich das Destillat überhaupt Whisky nennen darf. Aber das war für uns nie die Frage. Uns war von Anfang an klar: Guter Whisky braucht Zeit. Da lässt sich nichts beschleunigen. Es geht nicht um Schnelligkeit, sondern um Qualität und Charakter. Wir haben in dieser Zeit sehr viel gelernt – über unsere Fässer, über die Reifung in unserem Klima, über die Wirkung des Roggens. Und erst nach mehreren Jahren im Holzfass war er da – dieser Moment, in dem wir gesagt haben: Jetzt ist er so, wie wir ihn haben wollen. Ausdrucksstark, rund, und mit dem ganz besonderen Waldviertler Charakter.

Was war der größte Rückschlag auf diesem Weg?

Die Anfangsjahre waren alles andere als einfach. Man darf nicht vergessen: Damals gab es keine Whiskytradition in Österreich. Es war völliges Neuland. Wir mussten erst einmal erklären, dass es österreichischen Whisky überhaupt geben kann – und dann auch noch aus Roggen. Da waren viele skeptisch: Investoren, Behörden, Konsumenten. Der Markt war klein, das Wissen über Whisky begrenzt, und das Vertrauen musste man sich hart erarbeiten. Es gab Rückschläge, keine Frage – bürokratische Hürden, technische Herausforderungen, wirtschaftliche Unsicherheiten. Aber genau diese Widerstände haben uns geformt. Jeder Rückschlag hat uns gezwungen, besser zu werden, kreativer zu denken und noch fester an unsere Vision zu glauben. Heute bin ich stolz, dass wir drangeblieben sind.

Was war der schönste Moment Ihrer Reise?

Es gab viele bewegende Augenblicke, aber zwei Momente bleiben für mich unvergesslich. Der erste war, als wir unsere allererste Whiskyabfüllung in Händen hielten – und dann miterleben durften, wie Menschen den ersten Tropfen probierten und ehrlich begeistert waren. In diesem Moment wurde aus einer Vision Realität. Ich wusste: Der Weg, so steinig er auch war, hat sich gelohnt. Der zweite große Moment war die Eröffnung der Whiskyerlebniswelt. Wir wollten nie nur ein Produkt verkaufen – wir wollten ein Stück Kultur, Handwerk und Leidenschaft erlebbar machen. Zu sehen, wie Besucher staunen, genießen und mit einem Lächeln nach Hause gehen.

Was bedeutet es für Sie, dass es jetzt viele Whiskybrenner in Österreich gibt?

Es erfüllt mich mit großem Stolz. Als wir vor über 30 Jahren begonnen haben, Whisky im Waldviertel zu brennen, war das für viele kaum vorstellbar. Wir waren Pioniere – sind ins kalte Wasser gesprungen, mit einer Vision, die kaum jemand nachvollziehen konnte. Heute zu sehen, dass sich diese Idee weiterentwickelt hat und dass immer mehr Brennereien in ganz Österreich hochwertigen Whisky produzieren, ist etwas ganz Besonderes. Wir waren die Ersten, ja – aber jetzt sind wir Teil einer Bewegung. Der österreichische Whisky hat Wurzeln geschlagen. Und ich bin dankbar, dass wir mithelfen durften, diese Wurzeln zu pflanzen.

Was ist das Besondere an Whisky aus Österreich – und speziell aus Roggenreith?

Whisky aus Österreich – und insbesondere aus Roggenreith – ist etwas ganz Eigenständiges. Es ist die Kombination aus kristallklarem, weichem Wasser, wie man es bei uns im Waldviertel findet, dem traditionellen Getreideanbau – allen voran der Roggen, der hier seit Generationen kultiviert wird – und der handwerklichen Kunst der Destillation. Dazu kommt unser spezielles Klima: raue Winter, milde Sommer und große Temperaturschwankungen, die den Reifungsprozess im Fass intensivieren. Das alles verleiht unserem Whisky eine besondere Tiefe, Eleganz und Charakterstärke, die man schmeckt. Wir wollten von Anfang an kein Abbild schottischer oder amerikanischer Whiskys machen, sondern etwas, das unsere Handschrift trägt – authentisch, österreichisch und einzigartig.

Wenn Sie heute zurückblicken – würden Sie alles noch einmal so machen?

Ja, absolut. Auch wenn der Weg oft steinig war und wir manche Entscheidung mit viel Mut – und manchmal auch mit einem Quäntchen Verrücktheit – getroffen haben, würde ich es genauso wieder machen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, aber einer, der sich gelohnt hat. Ich durfte erleben, wie aus einer Idee eine ganze Bewegung wurde. Dass wir heute auf 30 Jahre österreichische Whiskygeschichte zurückblicken können, erfüllt mich mit Stolz und Dankbarkeit. Ich habe nie einen Masterplan verfolgt – nur einen Traum. Und dass so viele Menschen diesen Weg mitgegangen sind, bestärkt mich: Es war der richtig.